N. H. Kleinbaum: Der Club der toten Dichter/Dead Poets Society (1989)
Vorgeschlagen von:
Linus, Januar 2024
In Originalsprache und der Übersetzung von Ekkehart Reinke
... das wir auf Deutsch und Englisch lasen!
Meinungen der Mitglieder
Durchschnittliches Fazit: 0.62
Der Film, dessen Drehbuch Kleinbaum zu einem Roman glorifiziert hat, mag noch so gut sein. Diese Adaption aber, die man beim besten Willen treffender als »Merchandising-Artikel« bezeichnen muss, ist hingegen schrecklich.
Dem Leser wird kein literarisches Werk, sondern die Aufzählung einzelner Handlungsteile präsentiert. Die Katastrophe des fünften Aktes passt nicht zu den ersten vier Akten und ist von einer eigentlichen Tragweite, die sich Kleinbaum nicht verdient hat. Die »Liebesgeschichte« zwischen Knox und Chris ist zum Kotzen ekelerregend und passt in den Frauen verachtenden Kanon dieses Buches. Schließlich ist die anti-intellektualistische Einstellung des Lehrers Keating, der die Literaturwissenschaft auf die rein subjektive Erfahrung reduziert, furchterregend und basiert auf einem Strohmann (»Dr. Pritchard«). Diese Buch ist es offenbar nicht einmal Wert, dass ich meine Parataxen schön miteinander bekannt mache.
Ich nehme dieses Buch nicht an und finde es auch schlimm, dass ich einige Stunden das hier lesen musste!
Wer aus einem Film ein Buch macht, der sollte dem Film etwas hinzuzufügen haben, oder aber als absolutes Minimum die Erzählung dem Medium Roman anpassen. Kleinbaum ist mit ihrer Wiedergabe des beliebten Filmklassikers an dieser Aufgabe kläglich gescheitert und liefert uns ein glorifiziertes Drehbuch ohne jeglichen Mehrwert. Schon im Verlauf des ersten Kapitels fällt auf, dass eine wiedererkennbare, interessante Erzählstimme vollkommen fehlt; es handelt sich vielmehr um eine bloße Aufzählung der Geschehnisse, ohne, dass diese tiefergehend beschrieben werden. Was in einer Filmmontage schön aussieht und visuell nachvollziehbar ist, wird in einem Buch zu einer Farce. Hinzukommen unglaubwürdige Szenen, die sich im Verlauf der Geschichte überhaupt nicht anbahnen und ein Lehrer, der nicht lehrt. In diesem „Roman“ ist absolut nichts von Wert zu finden.
Zuerst habe ich die Geschichte von „Dead Poets Society“ genossen. Ich mochte die Idee einer strengen Jungenakademie und dem Struggle der jugendlichen Hauptcharaktere, den Erwartungen ihres Umfelds und der Gesellschaft gerecht zu werden. Begeistert hat mich das Konzept eines Lehrers, der diesen Druck auf einmal umwirft und entgegen aller Erwartungen von seinen Schülern Leichtigkeit erwartet. Was komisch ist, wenn ich darüber nachdenke, denn Leichtigkeit kann man nicht erzwingen.
Ich habe viele eigene Ideen, Vorstellungen und Meinungen während des Lesens eingebracht und wenig auf die Art, wie das Buch verfasst wurde, geachtet. Nach unserem Buchklubtreffen musste ich feststellen, dass das Buch nicht das alles war, was ich darin hineininterpretiert hatte. Das passiert mir sonst nie nach unseren Treffen, dass sich meine Meinung so stark danach ändert. Aber bei diesem Buch war es wohl kein großer Verlust. Es sind viele Lücken, Unreinheiten und einfach nicht schön geschriebene Stellen erkennbar, die uns teilweise verstört zurückgelassen haben (Hust hust, die Partyszene, hust). Fragt mich nicht, wie ich das beim Lesen ausgeblendet habe. Vielleicht, weil ich nur noch wenige Tage Zeit zum Lesen hatte, ups. Naja, das Ding kriegt 1/5 Sterne von mir. Der Film soll aber super sein, auf den freue ich mich.
Ich habe mich sehr auf das Buch gefreut und wurde maßlos enttäuscht. Wie ist es möglich, dass ein Buch, das den Sinn des Lebens im Ästhetischem (insbesondere der Literatur) sieht, so schlecht geschrieben sein? Der ganze Roman wirkt als hätte man Chat-gpt gebeten die Szenen aus dem Film in Textform zu bringen. Ich habe noch nie ein Buch gelesen, dass es verglichen mit dem Film schafft weniger Informationen und Hintergründe zu vermitteln. Auch von der plumpen Sprache abgesehen, bleibt die Geschichte weit unter dem Potential seiner Prämisse. Die Schüler sind flach und verwechselbar, Neils Vater ist als Charakter extrem unglaubwürdig und die Repräsentation von Frauen ist einfach ekelhaft. Es tut mir leid, dass N. H. Kleinbaum ihre und unsere Zeit verschwendet hat.
Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns (1963)
Vorgeschlagen von:
Alexander, Dezember 2024
Unser erstes deutsches Buch und das zweite eines Nobelpreisträgers.
Meinungen der Mitglieder
Durchschnittliches Fazit: 5.00
Eine bahnbrechende Parabel für die Scheinmoral der Gesellschaft, insbesondere der katholischen Kirche und des Bürgertums der Nachkriegszeit. So tragisch die Erzählung, so komisch ist der Erzählweise aus Sicht des Clowns Hans Schier. Handlungstreibendes Motiv ist zwar die am Konventionalismus gescheiterte Liebe zu Marie. Das Werk als Liebesroman abzutun, wird diesem jedoch keinesfalls gerecht.
Zwischen eindrücklicher und wirksamer Darstellungen der gescheiterten Entnazifizierung und dem gekonnten Demontieren des christlichen Spießbürgertums hat Heinrich Böll hier sicherlich einen der lustigsten und unterhaltsamsten Romane der Weltliteratur vorgelegt.
Ein durch und durch gelungenes Werk satirischer Literatur! »Ansichten eines Clowns« liefert einen detaillierten und authentischen Einblick in den Alltag der Nachkriegszeit, durchzogen mit lauten und leisen Spitzen gegen die vorherrschende Doppelmoral der Gesellschaft – insbesondere des Verbandskatholizismus – der 50er Jahre. Der Kraftakt aller, sich oberflächlich als moralisch und korrekt darzustellen, von Clown Schnier als »Zeitalter der Prostitution« bezeichnet, offenbart schonungslos die Schwächen, Missgunst und den Egozentrismus der Beteiligten – und das in einer höchst komischen und raffinierten Weise, die sprachlich begeistert. Im Roman wird eine junge Liebe Opfer dieser Umstände – das im Roman Beschriebene gilt jedoch für weit mehr, als nur diese Trennung, und beglückt den Leser als ein kleines Stück Zeitgeschichte.
Arkadi & Boris Strugazki: Picknick am Wegesrand (1972)
Vorgeschlagen von:
Malte, November 2024
Wir lasen verschiedene Editionen, unter anderem übersetzt von David Drevs
Meinungen der Mitglieder
Durchschnittliches Fazit: 3.50
Am Ende bleiben mir dutzende offene Fragen und ein Gefühl der Unzufriedenheit, trotz einer für sich interessanten Geschichte mit ausreichend Spannung und fassbaren Charakteren. Ich hatte allerdings etwas mehr erwartet, als ein »nur« solides Buch, zu dem mir unerwartet wenig einfiel. Möglicherweise fehlte mir ausreichendes Hintergrundwissen, um die leisen, verwirrend flüsternden Interpretationsansätze entwirren zu können.
Durch die kernige und authentische Sprache des Romans, ist man als Leser:in ganz dicht an dem Charakter des Stalkers Roderic Shuchart und begleitet ihn durch seine gefährlichen Einsätze in der Zone. Außerirdische haben nach einem Besuch auf der Erde nicht nur unbewohnbare Zonen sondern auch mysteriöse Gegenstände in eben diesen Zonen hinterlassen. Wie es sich für einen guten Sci-fi Roman gehört, hat man zu Beginn ganz viele Fragezeichen beim lesen vor Augen. Jedoch schafft es der Roman nicht viele dieser Fragen aufzulösen, sodass man die Weltgestaltung gar nicht in seiner Meisterhaftigkeit bewundern kann, weil einfach zu viele Lücken blieben. Entgegen Roderics Wunsch musste ich daher etwas enttäuscht fortgehen.
Eine Sache, die mich an »Ein Picknick am Wegesrand« positiv überrascht hatte, war die teils sehr humoristische Ausdrucksweise des Erzählenden. Das ist etwas, was ich von russischen Büchern eigentlich nicht kenne; die hatte ich immer als sehr ernst und fast schon humorlos empfunden. Das Buch an sich fand ich recht interessant, vor allem das Konzept, dass die Außerirdischen selbst keine direkte Präsenz zeigen, außer den Dingen, die sie auf der Welt hinterlassen haben. Daraus entwickelt sich ein gieriges Bestreben von „Schatzjägern“, sich durch diese Artefakte zu bereichern, was ich als Kapitalismuskritik wahrgenommen habe (surprise, wenn es ein Buch ist, das in der DDR genehmigt wurde :D)
An und für sich ein sehr düsteres Buch, jedoch bin ich kein großer Sci-Fi Fan, weswegen ich mich an einigen Stellen mit dem Lesen etwas gequält hatte. Vielleicht liegt es auch daran, dass einige Dinge eher »kryptisch« behandelt wurden.
Die Strugazkis haben mit diesem Roman meine Erwartungen leider nicht erfüllt. Würde man sich mit der Sowjetunion auskennen, hätte man bestimmt mehr von dieser Erzählung gehabt. Für mich also leider eine angenehme Lektüre ohne viel Mehrwert.
Vladimir Nabokov: Lushins Verteidigung (1930)
Vorgeschlagen von:
Jessica, Juli 2024
übersetzt von Dietmar Schulte
Wir lasen die Übersetzung von Dietmar Schulte, herausgegeben von Dieter E. Zimmer im Rohwolt-Verlag.
Meinungen der Mitglieder
Durchschnittliches Fazit: 4.19
Nabokov scheint den Charakter der Geschichte, Lushin, mit namenlosen Typen zu umgeben. Besonders auffällig ist der der aufopfernden ♕, die sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen diesem grobschlächtigen Sonderling annimmt. Selbst Maestro Lushin wirkt beizeiten eher wie ein Typus – analog etwa zu den »Figuren« des Schachspiels? Ob Lushins Verteidigung nun ein Schachproblem ist oder nicht – ein lesenswertes Buch ist es allemal – quod erat expectandum.
Der Roman von Nabokov erzählt die Geschichte eines begabten Eigenbrötlers, der zwar meisterhaft das Spielgeschehen auf dem Schachbrett vorhersehen und lenken kann, aber im echten Leben, ohne die Selbstaufopferung seiner Frau, komplett aufgeschmissen ist und am Ende an der wahnsinnigen Vorstellung untergeht, alles hätte auch gegen ihn verschworen, wie in einem abgekartetem Spiel. Durch seine verschachtelten Sätze und seinen zuweilen komplizierten Sätzen schafft N. einen atmosphärischen dichten Roman, der einen direkt in die Gefühlswelt der Protagonisten zieht.
Erneut ein Buch, welches mein Drittes des Autors ist.
Ein wahnsinniger Schachspieler und eine ihm eigene Verteidigung, die sich möglicherweise im schlichten Aufgeben erschöpft. Ein Akt, der als einziger in seiner Macht steht, inmitten von Ohnmacht bedingt durch Wiederholungen und Muster, wie sie dem Schach, zu Lushins Nachteil, eigen sind. Dieser fand keinen Platz in der Realität und floh letztlich auch vor seiner eigenen Welt, dem Schachspiel. Für die Menschen um ihn nicht zu verstehen, blieb er für sich – bis zum Schluss spielt jeder seine Rolle, als seien sie Schachfiguren. Frau Lushin versucht mit all ihrer Macht zu retten, was nicht zu retten ist; eine Dame in einer hoffnungslosen Stellung.
»Lushins Verteidigung« ist eine ausgeformte Sprachübung Nabokovs – ein Meister der Beschreibung – welche auch inhaltlich zum tieferen Nachdenken anregt und Raum für eigene Interpretationen lässt, wie unsere schöne Diskussion gezeigt hat.
Mit »Lushins Verteidigung« hat es Nabokov geschafft, einen sprachlich hochwertigen, aber nicht zu anspruchsvollen Eindruck in die Welt eines jungen Schachspielers zu geben. Die anderen stimmen mir nicht zu, aber mMn ist das Leben Lushins geprägt von viel Traurigkeit, Einsamkeit und dem Gefühl, nicht für diese Welt gemacht zu sein. Nur wenige Leute schaffen es, einen nachhaltigen Eindruck auf ihn zu hinterlassen und in sein Herz geschlossen zu werden. Aufgrund dessen habe ich oft Mitgefühl für ihn empfunden und gehofft, dass er früher oder später die Kurve bekommt. Ob ihm dies gelingt, müsst ihr selbst herausfinden ;)
Amélie Nothomb: Quecksilber (1998)
Vorgeschlagen von:
Linus, Juni 2024
aus dem Französischen von Wolfgang Krege
... bei dem wir uns herrlich uneinig waren.
Meinungen der Mitglieder
Durchschnittliches Fazit: 3.31
Das erste Buchklubbuch, das den Bechdel-Test besteht. Der Roman erzählt über 180 Seiten eine spannende, wenn auch an einigen Stellen etwas unglaubwürdige, Geschichte. Da das Buch hauptsächlich in wörtlicher Rede geschrieben ist, wirkt es fast wie ein Drama oder ein Drehbuch. Durch die Kürze bleibt die Spannung übers Buch hinweg aufrechterhalten, jedoch missen die Charaktere eine gewisse Tiefe.
Die uninspirierende Sprache, die flachen Charaktere und die beiden (!) schrecklichen Enden überwiegen die interessante Idee des Buches.
Eine durchwachsene Erfahrung. Die Prämisse des Buches birgt großes Potenzial und ist sehr spannend. Leider wird die Ausführung diesem Potenzial nicht gerecht. Die Charaktere bleiben eindimensional: Krankenschwester Chavaigne soll alles zugleich sein, sie bleibt aber nicht greifbar und in Teilen sogar widersprüchlich. Sprünge in der Geschichte passieren urplötzlich, Dialoge erscheinen unglaubwürdig. Es wird sich nicht die Zeit genommen, die Geschichte ausreichend auszuformen. Auch wenn es teils tatsächlich wie ein Drama wirkt, so glaube ich nicht, dass dies die Intention der Autorin war – und selbst wenn dem so wäre, wird diese Idee nicht im gesamten Buch zur Geltung gebracht. Die Inkorporierung zweier Enden ist eine interessante Idee, die mich auch sehr überrascht hat, nur leider gefallen mir beide Enden nicht besonders gut. Das Zweite stört mich jedoch um einiges mehr, es vereint die gesamte von mir empfundene Unglaubwürdigkeit der Erzählung auf 14 Seiten.
Das bisher von mir meistgeliebte Buch. Eine Insel, ein Anwesen, zwei Frauen, ein verrückter alter Kapitän - geniale Mischung, gell? Geheimnisvolle, mysteriöse Prämisse, mit interessanten Wendungen. Sprachlich sehr schön, etwas hochgestochen, aber nicht zu sehr, sodass es lesbar bleibt.
Sogar mit zwei Enden, choose your fighter!
Kazuo Ishiguro: Der Maler der fließenden Welt (1986)
Vorgeschlagen von:
Alexander, Mai 2024
aus dem Englischen von Hartmut Zahn
... bei dem sich alles um die Frage drehte wie weit dem Erzähler zu trauen sei.
Meinungen der Mitglieder
Durchschnittliches Fazit: 4.25
Der Autor hat mit seinen malerischen und detaillierten Beschreibungen dem Leser ein tiefes Eintauchen in die Atmosphäre der Szenen ermöglicht. Die achronologische Erzählweise lässt einem in besonderer Weise an der Gedankenwelt des Protagonisten teilhaben, sorgt aber auch dafür, dass sich die Handlung länger dehnt als nötig.
Ein interessanter kleiner Ausschnitt aus dem Nachkriegsjapan.
»Der Maler der fließenden Welt« ist das dritte Buch, welches ich von Ishiguro gelesen habe. Mich beeindruckt seine Sprache und die andächtige Stimmung, welche durch sie geschaffen wird. In diesem Buch verbindet sich sein Schreibstil in ganz besonderer Weise mit dem Inhalt, einer Nachkriegsgeschichte aus Sicht eines alten Mannes, den im Verlauf der Erzählung seine Vergangenheit einholt. Die Gedankensprünge, ausschweifende und insgesamt erinnerungsschwelgende Erzählweise des Autors, welche auch seine späteren Werke prägt, schaffen plastische, facettenreiche Charaktere. Besonders interessant ist hierbei auch die Frage nach dem Wahrheitsgehalt des vom Hauptcharakter Geäußerten, der immer wieder Unsicherheit streut und letzten Endes nur seine Sichtweise und Erinnerung der Dinge darlegt. Die Nähe zu seiner Perspektiv vermittelt im Verlauf des Buches eindrucksvoll den Wandel der Figur selbst, seiner Umwelt und die Beziehung dieser beiden Aspekte zueinander.
Das erste, aber definitiv nicht einzige Buch, das ich von Ishiguro gelesen habe. In diesem Werk gelingt es ihm hervorragend, eine ruhige, dennoch nicht langweilige Szenerie des Nachkriegs-Japans zu schaffen und den Lesenden in eine kleine, feine Zeitreise zu versetzen.
Die Sprache ist vom japanischen Erzählungsstil geprägt, auf eine Weise locker, aber dennoch nicht informell; das Buch lässt sich dadurch angenehm und fließend (badumtss) lesen.
Ich freue mich auf Weiteres von Ishiguro!
Wenedikt Jerofejew: Die Reise nach Petuschki (1969)
Vorgeschlagen von:
ehemaliges Mitglied, April 2024
aus dem Russischen von Natascha Spitz
... wozu wir uns passenderweise in der Vodkaria trafen.
Meinungen der Mitglieder
Durchschnittliches Fazit: 4.33
Sehr komisch, aber sehr unterhaltsam.
Jerofejews Klassiker ist eine furchtbar tragische Dichtung, deren furchtbare Tragik ich beim brüllenden Lachen oft vergaß.
Sprachlich, inhaltlich, künstlerisch – einfach Weltliteratur, die mich von Anfang bis Ende mit ihrer besonderen Art der Erzählung gefesselt hat. Obgleich die Geschichte Jerofejews eigentlich eine tragische ist, so schafft es der gleichnamige Autor doch, einen klugen, pointierten Humor in das Werk einzubringen, was zu einer großartigen Mischung und Stimmungslage führt. Kein Wort und kein Vergleich fühlt sich unnötig an.
»Diese Stummheit ist jedem bekannt, der den Ausgang eines viele Tage dauernden schweren Rausches kennt. Ist nicht das ganze Leben nur ein flüchtiger Rausch der Seele? Eine Verfinsterung der Seele? Wir alle sind wie betrunken, nur jeder auf seine Weise, der eine hat mehr getrunken, der andere weniger.« – in diesem Sinn, na zdrowie!
Aufgrund studentischer Pflichten war es mir nicht möglich, dieses Buch zu lesen. Schade, mit betrunkenen, alten russischen Männern, kenne ich mich eigentlich bestens aus.
Benjamin Labatut: Das blinde Licht. Irrfahrten der Wissenschaft (2020)
Vorgeschlagen von:
Malte, März 2024
aus dem Spanischen von Thomas Brovot
Das erste Buch im Buchklub Lipsia!
Meinungen der Mitglieder
Durchschnittliches Fazit: 3.16
Das Genre historische Fiktion trifft es ganz gut. Wobei es im Verlauf immer weniger historisch dafür immer fiktiver wurde. Leider haben die fiktiven Elemente der Geschichte aber keine Spannung gegeben, sondern teilweise für unnötig langweilige Ausschweife geführt. Eigentlich ein interessantes Konzept, allerdings hätte »Labertut« m. M. n. entweder ein erzählendes Sachbuch oder einen Roman verfassen sollen, sodass man als Leser den Wahrheitsgehalt der im Buch wie Fakten dargestellten Inhalte einschätzen kann.
Labatut hat, wie er mit seinem zweiten Werk »MANIAC« bewiesen hat, ein Händchen für die mitreißende Erzählung der Leben großartiger Naturwisschenschaftler. Dabei ist leider selten klar, was Fakt und was Fiktion ist. Wer den Film »Oppenheimer« mag, wird Labatuts Bücher wahrscheinlich ebenso mögen.
Schon vor Lesebeginn war ich ungemein gespannt auf das Zusammenspiel von Fakten und Fiktion in Labatuts Buch denn ich konnte nicht wirklich einschätzen, was mich erwarten würde. Leider wird oftmals nicht klar, was der Realität entspricht, und was nicht. Ob das in einem Buch, in dem es um das Leben von echten Menschen, um die Höhen wie Tiefen geht, wünschenswert ist, wage ich zu bezweifeln. Wenn es dann sogar in eine (viel zu lang gezogene, auf komische Art schwärmerische) Lolita-Episode Schrödingers geht, muss man sich die Frage stellen, ob eine solche Unklarheit zu vertreten ist.
Auch, wenn dieser Aspekt mir größere Schwierigkeiten bereitet hat, so war die Leseerfahrung insgesamt doch eine angenehme. Sprache und Erzählung zeichnen sich durch ein interessantes bildliche Darstellung der Fakten aus, man entdeckt, dass der Aufbau der Kapitel durchdacht ist, aber dann oft doch unübersichtlich ist. Auch immer wieder auftauchende Nebenschauplätze dienen manchmal gut zur Veranschaulichung, führen aber auch öfters zu weit weg von der eigentlichen Erzählung.
Thematisch spielt das Buch mit dem Wahnsinn der thematisierten Menschen und dem Geniekult, welcher aber meines Erachtens nach zu unkritisch und in Teilen hochlobend darstellt wird. Aber natürlich, der Mythos Genie begeistert Menschen. Die zentralen Frage – Was kann, was muss der Mensch wissen? Wollen wir überhaupt alles wissen, oder schadet dieses möglicherweise „blinde“ Streben uns? – sind höchstinteressant und bescherten uns eine tolle erste Buchbesprechung und Diskussion.
Das Buch erzählt in mehreren Kapiteln von berühmten Naturwissenschaftlern und deren Schaffen hält sich jedoch vor, eine Prise Fiktion miteinzumischen. Ein interessantes Konzept, mMn leider unglücklich realisiert.
Möglicherweise bin ich etwas zu hart zu dem Buch; das Lesen hatte ich leider nicht genossen, der Schreibstil war zu penetrant hochgestochen und sehr wirr.
Test ... bieb ... bieb ...